Es hat sich irgendwann verselbstständigt. Der geplatzte Reifen im April zog Panikattacken beim Autofahren nach sich. Windstoß, Unebenheit auf der Straße, zack, Herzrasen, Schweißausbruch, Atemnot. Lieber nicht irgendwohin fahren. Nicht so weit. Ganz sicher nicht auf der Autobahn.
Die Panikattacken schlichen sich ganz hinterhältig in den Alltag. Angstzustände mit Magengrimmen, heftigem Herzklopfen. Mit einem Auslöser, den ich nicht mehr greifen kann, sobald es angefangen hat. Aber der Gewissheit: Es war ein sehr realer, sehr realistischer Gedanke. Nichts Neues für mich eigentlich. Neu ist nur die Frequenz. Beklommenheit wegen Allem. Schlimme Verzweiflung wegen Allem und Nichts, total ungreifbar. Panikattacken, die mich zitternd ans Bett nageln, unfähig mich zu bewegen, das einzige, was mich bewegt, ist mein wild schlagendes Herz. Sauerstoff kann es aber nicht verteilen, denn Luft bekomme ich keine. Zwischendurch die Angst vor der nächsten Panikattacke.
Klarer Trigger: die Katze. Sie ist das beste Antidepressivum, das man sich vorstellen kann. Sie ist weich und süß und wild und lustig und fröhlich und kuschelig. Aber sie hat schlimme Nebenwirkungen. Sobald sie rausgeht, werde ich unruhig, ich alter Suchti. Ist sie länger als eine Stunde weg und kommt nicht, wenn ich sie rufe – verhält sie sich also wie eine ganz normale Katze -, kann man mich vergessen. Man kann sich ausrechnen, wie es mir nach 12 oder gar 24 Stunden feliner Abwesenheit geht. Das einzige Mittel, das die Panikattacke beendet: Auftauchen der Katze. Wirkt sofort.
Ich komme mir jedes Mal angemessen bescheuert vor. Mir sind wahrlich schlimmere Dinge im Leben passiert als ne Reifenpanne, bei der nix passiert ist und eine Katze, die sich verhält wie eine Katze.
Ich habe lange darüber nachgedacht, warum ich wegen solcher Banalitäten so durchdrehe. Und ich glaube, dahinter gekommen zu sein: Kontrolle. Ich werfe gerne anderen Kontrollwahn vor, aber eigentlich bin ich da am schlimmsten. Ich muss immer alles im Blick haben, am besten alles selber machen, immer wenigstens irgendwas machen. Deswegen verbeiße ich mich so in die Arbeit. Und werde so stinkig, wenn mir jemand wie Fetti dazwischenfunkt. Deswegen habe ich so Dinge durchgestanden wie: Mein Vater macht jeden Tag besoffen irgendeinen anderen Scheiß, meine Mutter dreht deswegen durch und legt sich im Pillenkoma ins Bett, mein Vater zündet irgendwann das Haus an und ich bin halt der Konfliktpuffer, Muddipfleger, Pferdepfleger, Gärtner, die Putzfrau und weiß nicht was und mach halt nebenher noch Abi und Führerschein und was man sonst so macht mit 18. Eben einfach Zeug machen. Kontrolle über Dinge behalten.
Was ich damals gelernt habe: Alles geht irgendwann vorbei. Egal wie scheiße ich mich grad fühle, egal wie wenig ich mir vorstellen kann, wie ein Danach aussehen könnte: Es wird ein Danach geben. Und das wird sich nicht mehr scheiße anfühlen. Das hat mir schon durch die ein oder andere schlimme Zeit geholfen.
Das Problem ist: Ich kann weder mein Auto noch meine sich wie eine normale Katze verhaltende Katze kontrollieren. Und gerade in Sachen Katze hoffe ich auf ein Danach in frühestens 15 Jahren.
Vielleicht sollte ich es doch mal mit Alkohol probieren…