Ein Kollege von mir stellt fest, dass das leicht bekleidete Mädel neben ihm offensichtlich friert. Und fragt mich dann, ob das jetzt sexistisch war.
Ich zucke mit den Schultern und stelle fest: “Ich bin da die falsche Ansprechpartnerin, ich neige nicht zu einem #Aufschrei, wenn man eine Tatsache feststellt.“
Natürlich wäre es politisch korrekt, es einfach zu ignorieren, wenn einem die harten Nippel einer Frau auffallen. Da einen Spruch drüber zu bringen, ist sicherlich geschmacklos. Aber würde ich bemerken, dass sich bei einem Mann etwas hart in der Hose abzeichnet, würde ich mir eine geschmacklose Bemerkung gegenüber meiner Begleitung wahrscheinlich auch nicht verkneifen können. Wäre das sexistisch?
Ich verweise auf Oben-ohne-Proteste. Die finden ja auch mal bei niedrigen Temperaturen statt. Die Titten stehen im Zentrum des Protests, man kann den harten Nippeln nicht entgehen, darf man es feststellen, aber auf keinen Fall drüber reden? Hat sich da noch nie ein Boulevard-Journalist drüber ausgelassen?
Wenn Frauen mit harten Nippeln rumlaufen dürfen, dürfen Männer dann mit steifen Penissen rumlaufen?
„Nicht, wenn sie dabei keine Hosen anhaben!“, betont mein Kollege.
Klar, eine Frau oben ohne ist eine Feministin, ein Mann unten ohne ein Exhibitionist.
Ich schlage einen Unten-ohne-Protest vor, der Gleichberechtigung wegen.
Er ziert sich, findet sich nicht schön genug. Ach, und nur schöne Frauen dürfen Oben-ohne-Protest starten, oder was? Wo bleibt denn da die Gleichberechtigung?
Er verkündet, er habe sowieso nie verstanden, warum oben ohne ein Protest sein soll.
Ich google ein bisschen herum und finde ausgerechnet bei Spiegel Online (würg) eine Erklärung, die ich nachvollziehen kann:
Das Schöne am Nacktprotest ist ja: Er kostet nichts. Gerade darin offenbart sich auch das symbolische Potential des Aufbegehrens. Während der Protestierende selbst nicht mehr macht, als sich entkleidet im Bett, auf der Wiese oder im öffentlichen Raum zu drapieren, fährt der Gegner seinen Waffenpark oder seinen Beamtenapparat auf, um den anderen still zu stellen. Lächerlich wirkt dabei nie der, der sich auszieht (egal, wie unvorteilhaft man seine Erscheinung empfinden mag), sondern stets der, der gegen ihn vorgeht. Ein System, das Uniformierte aufbietet, um einen Nackedei zu überwältigen, hat ein Problem.
So gesehen dient der Nacktprotest immer dazu, aus einer Position der Schwäche heraus Stärke zu zeigen – und, bitte schön, wer ist in seinem Herzen nicht für die Underdogs?
Ich stelle fest: Das gilt gleichermaßen für Frau und Mann. Dem Unten-ohne-Protest steht also nix im Wege. Um dann selbst einzuschränken: So manche Hardlinerin würde jetzt sicher argumentieren, der Penis sei ein Instrument zur Unterdrückung der Frau.
Eine These, die ich so nicht unterschreiben würde. Zur Unterdrückung braucht es keinen Penis. Und eine Frau kann den Penis auch zum Lustgewinn nutzen. Mit Betonung auf KANN, wenn sie das möchte. Als Ergänzung zu einer Fülle von anderen Möglichkeiten.
„Alice Schwarzer würde dich hassen“, sagt er.
Das beeindruckt mich wenig.
Die Zeiten, in denen Frauen harte Kämpfe für ihre Rechte kämpfen mussten, sind glücklicherweise vorbei – ich befinde mich in der glücklichen Position, mich auf den Errungenschaften anderer ausruhen zu können. So manche Feministin von heute scheint so einiges aus den Augen verloren zu haben. Und verpulvert jede Menge Energie für dumme Scheiße, die besser in die Probleme investiert wäre, die WIRKLICH noch nen Unterschied machen. Ein Binnensternchen verbessert mein Leben nicht und ich glaube nicht, dass es ein Bewusstsein bei denjenigen weckt, bei denen es geweckt werden müsste (so von wegen Sprache beeinflusst Denken). Gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit hat schon mehr Auswirkungen auf die Lebensrealität vieler Frauen.
Gleichberechtigung funktioniert in beide Richtungen. Nur weil Männer über lange Zeit im Vorteil waren und immer noch in vielen Bereichen im Vorteil sind und es da immer noch viel zu tun gibt, heißt es nicht, dass wir Frauen krampfhaft an Vorteilen festhalten müssen, wenn sie Männer irgendwie einschränken. Solange Männer mir gleiche Rechte zugestehen, gestehe ich ihnen auch gleiche Rechte zu. Insofern bin ich gerne eine schlechte Feministin.
Andersherum könnte man auch behaupten, mein Blog wäre feministisch (jaha!).
Sollte der Blog je so etwas wie ein Ziel gehabt haben, dann unter anderem das, ohne alberne Verklemmtheit über Sex und Sexualität zu schreiben. Ich halte diese Verklemmtheit für geradezu gefährlich. Leute haben keine Ahnung davon, was so alles geht und was ihnen gefallen könnte und haben jahrelang miserablen Sex. Gerade junge Menschen – und nicht nur Mädchen – machen ganz viel Zeug, das sie eigentlich gar nicht wollen, weil sie denken, das muss so. Sexuelle Selbstkenntnis ist ein Grundstein sexueller Selbstbestimmung.
Angesichts einiger Reaktionen auf viele meiner Beiträge muss ich allerdings sagen: Offensichtlich muss ich nicht nur der Verklemmtheit entgegenschreiben, sondern auch überkommenen Rollenbildern, die im Bereich Sex noch weit verbreitet sind.
Ich bin eine Frau und ich habe – genau wie ein Mann – ein Recht auf Sex, schmutzigen Sex, viel Sex, Sex mit wechselnden Partnern beiderlei Geschlechts, gar keinen Sex, ich habe ein Recht auf Pornos, Sextoys und Sextalk – und das (wichtiger Punkt!) unabhängig von meinem Alter und meiner Attraktivität!
Ich bin deshalb keine Schlampe, keine Verzweifelte, keine Frustrierte, keine Gelangweilte und auch nicht irgendwie seltsam – ich bin eine Frau. Fertig.
Das ist ja eigentlich die schönste Errungenschaft der Kämpfer*innen (höhö) für die Frauen: Ich kann heute ganz allein entscheiden, wer ich bin, was ich anziehe (und wenn Frau Schwarzer meint, je höher die Absätze, desto geringer der Grad der Emanzipation, dann kann ich das zur Kenntnis nehmen und mir die geilen Pumps anziehen, weil ICH das möchte), was ich tue, was ich lasse, was ich sage und mit wem ich schlafe. Ich kann auch ganz allein entscheiden, ob ich eine Feministin sein möchte oder nicht. Und wenn ja, was für eine. Und ich kann auch ganz allein entscheiden, dass ich mich nicht entscheide.